Dies ist die kurze Geschichte eines langen Autolebens. Sie beginnt am 16. Dezember 1986. Damals bekam Alfred Bredlau das größte Weihnachtsgeschenk schon acht Tage vor Heiligabend – einen Audi 80 in Silber Metallic mit voll verzinkter Karosserie. Unter der Haube: ein 1,8-Liter-Motor mit 90 Pferdestärken.
Der Audi 80 war der Lohn für eine sehr gute Idee: Der heute 60-jährige Bredlau arbeitete damals bei Audi im Motorenbau und machte einen Verbesserungsvorschlag: Die Motorenprüfstände sollten mit einer Vorrichtung ausgestattet werden, die den Öldruck misst. Die Idee von Alfred Bredlau sparte pro Messvorgang etwa 30 Sekunden – und Audi damit eine Menge Geld. Dafür gab es neben einer Barprämie als Extrabonus den Audi 80.
In den folgenden elfeinhalb Jahren diente das Gefährt als Familienkutsche. Er brachte den Vater zur Arbeit und die Familie in den Urlaub – nach Kroatien, Italien oder Österreich. Doch dann wurde es Zeit, den Schlüssel weiterzureichen: vom Vater zum Sohn, von Audianer zu Audianer. Es war der 2. Mai 1998 und der 18. Geburtstag von Stefan Bredlau. So avancierte der Audi 80 erneut zum Geschenk. „Er war als Anfängerwagen gedacht“, erzählt Vater Bredlau, „den der Stefan fahren sollte, solange er noch hält.“
Und das hat der Junior dann auch gemacht: Er ist gefahren, gefahren, gefahren und der Audi 80 hat gehalten, gehalten, gehalten. Gerade in der Anfangszeit, als Stefan Bredlau den Wagen vom Vater übernommen hatte, war er viel unterwegs. „In den ersten zwei Jahren bin ich die ganze Zeit spazieren gefahren“, sagt der heute 32-Jährige und grinst. Ob zur Tankstelle, ins Kino oder vor die Disco: Egal wo er damals hinkam, er war stolz wie Oskar, wenn er im Audi vorfuhr. Kein Wunder, seine Kumpels fuhren 2er-Golf oder Opel Kadett. „Da war der Audi 80 natürlich ein ganz anderes Kaliber.“
Als Stefan Bredlau den Wagen vom Vater übernahm, standen 226.000 Kilometer auf dem Tacho, inzwischen hat er die halbe Million vollgemacht. „Und das als Benziner“, betont Alfred Bredlau, „eine wirklich starke Leistung.“ So ganz spurlos ist die Zeit freilich nicht an dem Auto vorübergegangen. An manchen Stellen ist sein Lack ab und die eine oder andere Beule musste er auch einstecken. „Aber er fährt immer noch mit dem ersten Motor, dem ersten Getriebe und der ersten Kupplung“, sagt Stefan Bredlau mit einem gewissen Stolz in der Stimme.
Bredlau junior begann 1996 seine Ausbildung bei Audi. Die ersten beiden Jahre saß er auf dem Beifahrersitz, sein Vater nahm ihn mit zur Arbeit. Seit ihm das Auto gehört, ist es umgekehrt. Nun holt er den Vater ab und fährt von Hollenbach, wo beide wohnen, 35 Kilometer zu Audi nach Ingolstadt. Bredlau senior arbeitet mittlerweile in der Technischen Entwicklung, der Junior im Gebäudemanagement – und der Audi 80 wartet jeden Arbeitstag geduldig im Parkhaus, bis es wieder heimgeht. Für Fahrten mit seiner Frau und den Kindern nimmt Stefan Bredlau inzwischen seinen A4: „Auch wegen der Sicherheit.“ Mit Airbags kann der Audi 80 nicht dienen, er hat andere Vorzüge.
Selbst mit einer halben Million Kilometer auf dem Tacho gibt es noch Ziele. Fürs alte Eisen ist der Audi 80 zu jung, findet Stefan Bredlau. „Er soll ein Oldtimer werden.“ Dafür muss der Wagen noch vier Jahre durchhalten. Solange macht er einfach das, was er immer getan hat: Er läuft und läuft und läuft.