![Mobilität von morgen]()
Mit 22 Millionen Einwohner und neun Millionen Autos ist Mexico City eine der schlimmsten Pendler-Städte der Welt.
Autos, die selbst lenken, die miteinander kommunizieren, die mehr als einen Besitzer haben. Die Mobilität verändert sich. Und das muss sie auch, denn im Jahr 2050 werden zwei Drittel der Menschen in Städten leben. Das bedeutet nicht nur mehr Menschen in den Metropolen, sondern auch mehr Autos.
Um diesen Herausforderung zu begegnen, hat Audi schon 2010 die Audi Urban Future Initiative gegründet. In der Initiative erforscht Audi die Mobilität von morgen, tritt mit Experten aus verschiedenen Disziplinen in den Dialog und gründet Partnerschaften mit Städten und Unternehmen, um auch in Zukunft eine funktionierende Mobilität zu ermöglichen.
Auch Prof. Dr. Markus Friedrich von der Universität Stuttgart befasst sich mit der Mobilität der Zukunft. Im Interview erläutert er seine Prognosen für Deutschland.
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Autorin Verena Väth im Interview mit Professor Markus Friedrich.
Welche Trends zeichnen sich für Sie bis zum Jahr 2030 ab? Hat das eigene Auto noch eine Zukunft?
Car Sharing wird in Zukunft wichtiger werden, besonders in Städten. Und das theoretische Potenzial ist gewaltig: Würden wir uns für alle städtischen Autofahrten ein Auto teilen, bräuchten wir 50 Prozent weniger Pkw. Dabei ist noch nicht genau abzusehen, welche Rolle das Ride Sharing, also die Mitfahrgelegenheit, einnimmt. Der ÖPNV wird für den städtischen Verkehr aber auch in Zukunft das effizienteste Verkehrsmittel bleiben, da er die großen Verkehrsmengen in der Innenstadt am besten bewältigt. Auch wenn die Vielfalt der Verkehrsmittel steigt und diese öfter geteilt werden, wird das eigene Auto wohl weiter das wichtigste Verkehrsmittel bleiben, insbesondere wenn man ländliche Gegenden berücksichtigt.
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Friedrich: „Der ÖPNV ist auch in Zukunft das effizienteste Verkehrsmittel, das eigene Auto das wichtigste.“
Auf welcher Basis entwickeln Sie Ihre Szenarien?
Die Grundlage für Verkehrsprognosen sind regelmäßige Erhebungen zum Mobilitätsverhalten. Wir wissen beispielsweise, dass der Durchschnitts-Deutsche am Tag zwischen drei und vier Wege zurücklegt, etwa zwischen Wohnung, KiTa, Arbeit und Sport. Dabei legt er insgesamt etwa 37 Kilometern zurück und ist 78 Minuten unterwegs. Im Jahr legt er so rund 11.000 km mit dem Pkw und 2.000 km mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Diese Zahlen kennen wir für unterschiedliche Personengruppen. Junge Leute nutzen den öffentlichen Verkehr deutlich häufiger als ältere Personen. Personen mittleren Alters legen die längsten Wege zurück, da ihnen in der Regel ein Pkw zur Verfügung steht. Betrachtet man nun die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung, kann man abschätzen, dass der Anteil des öffentlichen Verkehrs zurückgehen wird, wenn es weniger junge Menschen gibt. Gleichzeitig werden ältere Menschen in der Rente mehr mit dem eigenen Auto mobil sein als das heute der Fall ist. Die jüngere Generation setzt hingegen möglicherweise vermehrt auf Sharing-Modelle.
Lässt sich die Zukunft trotz relativ sicherer Prognosen noch beeinflussen?
Den Verkehr in der nahen Zukunft können wir nur in kleinem Umfang beeinflussen. Aber auf lange Sicht, sagen wir bis 2050, können wir das natürlich verändern. Heute stellen wir die Weichen für die Mobilität von morgen. Wir sollten so handeln, dass die wünschenswerte Zukunft am wahrscheinlichsten wird.
![Mobilität von morgen]()
Friedrich wünscht sich in den Städten Straßen, die Radfahrer und Autofahrer gleichermaßen nutzen können. Vorraussetzung: Regelgeschwindigkeit 30 km/h.
Welche Zukunft wünschen Sie sich persönlich?
Zunächst sollten Politik und Gesellschaft stärker über die Zielvorstellungen sprechen, um einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Meinungen zu finden. In meiner Wunschvorstellung umfasst dieser Kompromiss effizientere, automatisierte Fahrzeuge. Wenn die Mehrzahl dieser Fahrzeuge elektrisch unterwegs ist, müssen wir aber die Mineralölsteuerausfälle kompensieren. Deshalb werden wir ein System benötigen, mit dem wir für unsere Mobilität bezahlen. In den Städten wäre eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h wünschenswert. Bei diesen Geschwindigkeiten können Autos und Radfahrer die gleichen Straßen nutzen.
Wie sieht die Zukunft für Automobilhersteller aus? Hat das bisherige Geschäftsmodell im Sinne von Produzieren und Verkaufen bald ausgedient?
Ich denke, dass sich die Rollen ändern und Automobilhersteller zu Mobilitätsanbietern werden anstatt reine Produzenten zu bleiben. Sie könnten zum Beispiel Parkhäuser betreiben, in denen Autos vollautomatisch einparken. Ob neue Geschäftsmodelle für die Hersteller Pflicht oder Chance sind, müssen sie selbst entscheiden. Gleichzeitig müssen sie sich angesichts der Innovationen im Bereich des autonomen Fahrens und des Sharings aber auch fragen: Will ich Mobilitätsdienstleistungen, die mit einem Fahrzeugpool erbracht werden, anderen Anbietern wie Europcar und Co. überlassen oder sollte ich sie selbst anbieten?
![pilotiertes Parken]()
Mit dem pilotierten Parksystem von Audi könnten Städte in der Rush Hour den Verkehr um 30 Prozent reduzieren.
Wie werden neue Technologien wie das pilotierte Fahren den Verkehr verändern?
Ich hoffe, dass pilotiertes Fahren auf den Autobahnen bald zugelassen wird. Denn es erhöht die Verkehrssicherheit und die Leistungsfähigkeit der Straßen enorm. Vor allem beim Lkw-Verkehr kann es viele Probleme lösen, wenn ein geringerer Sicherheitsabstand vertretbar ist. Führt man eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h für Pkw und ein situationsabhängiges Lkw-Überholverbot ein und lässt man lange Lkw-Züge, sogenannte Road Trains zu, dann können pro Stunde fast doppelt so viele Fahrzeuge einen Streckenabschnitt passieren als bisher. Während wir heute pro Stunde 5.400 Fahrzeuge über eine dreistreifige Autobahn schleusen, könnten es so künftig 9.000 sein. Damit ersparen wir uns an vielen Stellen einen Autobahnausbau, der angesichts der prognostizierten Lkw-Mengen notwendig wird.
In der Stadt ist das pilotierte Fahren eine der großen Unbekannten. Setzt es sich durch, könnte es dem ÖPNV Konkurrenz machen. Denn ein Auto, das direkt zu mir kommt, macht den Gang zur Haltestelle überflüssig. Vielleicht fahren aber auch die öffentlichen Busse künftig autonom und nach Bedarf? Dann könnten sie eine attraktive Alternative zum Auto bieten. Wir werden noch etwas warten müssen, bevor wir die Möglichkeiten und Grenzen des pilotierten Fahrens in der Stadt tatsächlich beurteilen können.
![Mobilität von morgen]()
Dass pilotiertes Fahren für Audi technisch machbar ist, zeigte mitunter der Audi RS7 piloted driving: Er fuhr mit Spitzengeschwindigkeiten von bis 200 km/h ohne Fahrer um den Hockenheimring.
Auch Schwarmintelligenz und Car-to-x-Kommunikation wird in Zukunft immer wichtiger. Wie schätzen Sie die Technologien, bei der die Fahrzeuge miteinander und auch mit der Umgebung – wie beispielsweise Ampelanlagen – vernetzt sind, ein?
Schwarmintelligenz ist super! Sie funktioniert allerdings nur, wenn alle mit machen. Bei Vögeln, die im Schwarm große Strecken zurücklegen, ergeben sich nur dann Vorteile, wenn nicht jeder Vogel der Erste am Ziel sein will. Im Endeffekt bedeutet Schwarmintelligenz, den eigenen Egoismus als Autofahrer hinten anzustellen und sich dem Schwarm unterzuordnen, damit dieser als Gesamtheit möglichst schnell und sicher durch die Straßen kommt. Ein Stau auf der Autobahn lässt sich dann besonders gut vermeiden, wenn sich alle an die Geschwindigkeitsvorgaben halten. Kommuniziert mein Auto mit Ampeln, kann es mir sagen, mit welcher Geschwindigkeit ich durch die Stadt fahren muss, um eine grüne Welle zu haben. Sobald aber einer ausschert, mich überholt und vor mir an der Ampel denkt „Ich habe gewonnen“ – ist die Grundidee eigentlich schon dahin. Wir werden sehen, ob Autofahrer bereit sein werden, die Entscheidung über die Geschwindigkeit abzugeben.
Um unsere Verkehrssystem intelligent zu machen, müssen wir unsere Daten teilen. Viele stehen dem skeptisch gegenüber. Wie sehen Sie das?
Datenschutz und Datensicherheit haben einen hohen Wert und müssen weiter entwickelt werden. In vielen Fällen können wir die Daten aber so anonymisieren, dass die Anforderungen erfüllt werden. Es wird unsere Straßen sicherer machen, wenn wir wissen, was der Fahrer vor uns auf der Strecke schon erlebt hat. Auch als Wissenschaftler hätte ich es leichter, wenn wir einfacher auf verkehrsbezogene Daten zugreifen könnten.
Wie die Stadt Somerville in den USA mit Hilfe von Audi Vorreiter bei der urbanen Mobilität werden will, sehen Sie in unserem Video:
Prof. Dr. Markus Friedrich referierte zur Zukunft von Mobilität und Verkehr im Rahmen der Veranstaltungsreihe Audi Kolloquium. Die öffentliche Veranstaltungsreihe gibt Einblicke in aktuelle gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen und holt renommierte Wissenschaftler nach Ingolstadt und Neckarsulm. Eine Übersicht über künftige Themen und Referenten finden Sie online.